Zwischen Disziplin und Leidenschaft: Begegnung mit einem kubanischen Ballettmeister in Havanna

In Havanna treffen wir Felix Rodríguez, einen ehemaligen Solisten des kubanischen Nationalballetts. Er lebt in einer kleinen Wohnung abseits des Zentrums der kubanischen Hauptstadt, wo er malt und unterrichtet. Umgeben von Bildern, Erinnerungen und dem Duft von Kaffee, erzählt er von Disziplin, Würde und dem Versuch, Mensch zu bleiben in einem Land, das sich ständig neu erfinden muss. Es ist eine Begegnung über Kunst, Leben und die stillen Formen von Größe.

In Havanna ist vieles laut: der Verkehr, die Stimmen, das Leben. Doch manchmal liegt die wahre Geschichte in der Stille. In einer kleinen Wohnung etwas außerhalb des Zentrums der kubanischen Hauptstadt, hinter einer unscheinbaren Tür, lebt Felix Rodríguez – Tänzer, Lehrer, Maler. Ein Mann, der auf den größten Bühnen Europas stand und trotzdem nie den Drang verlor, seine Wurzeln zu pflegen.

Wir haben Felix auf unserer Reise nach Kuba getroffen.

Wir wollten verstehen, wie Menschen hier leben, was sie antreibt und was bleibt, wenn der Glanz vergangen ist.

Für uns ist Reportagefotografie ein Werkzeug, um genau solche Begegnungen festzuhalten – offen, aufmerksam, ehrlich.

Felix wurde zu einem jener Menschen, die mehr über ein Land erzählen als jede Statistik oder Touristenführer.

Der Weg zu seiner Wohnung führt durch einen langen, dunklen Gang, am Ende öffnet sich ein kleiner, heller Raum.

Zwei Zimmer, kaum Platz, dafür Wände voller Erinnerungen

In den Regalen stapeln sich Bücher, Fotografien und alte Theaterprogramme.

An den Wänden hängen Gemälde: kräftige Farben, Gesichter, Körper in Bewegung.

Dazwischen eingerahmte Schwarz-Weiß-Fotos von Auftritten in Moskau, Madrid oder Berlin. 

Der Schüler von Alicia Alonso

Felix’ Hund – ein kleiner, quirliger Mischling – springt zwischen unseren Beinen umher, während sein Besitzer in der Küche verschwindet, um Kaffee zu kochen.

Der Duft zieht durch den Raum, vermischt sich mit dem Geruch von Farbe und Holz.

Lachend erzählt er, dass er an den hölzernen Laternenpfosten seiner Straße gemalt habe, nachdem seine „Mutter“ – wie er die kubanische Ballettlegende Alicia Alonso liebevoll nennt, zu der er ein besonders inniges Verhältnis hatte – gestorben war. Das war sein Trost und ein Zeichen des Weiterlebens.

„Die Leute dachten, ich sei verrückt“, sagt er und stellt die Tassen auf den Tisch. „Aber ich musste etwas tun. Ich konnte nicht einfach aufhören zu schaffen.“

Dann setzt er sich, schaut kurz auf seine Hände und beginnt zu erzählen – ruhig, ohne Eile, mit dieser besonderen Mischung aus Disziplin und Wärme, die ihn sofort greifbar macht.

Seine Geschichte beginnt im Ballett, und mit einer Frau, die ihn geprägt hat wie keine andere: Alicia Alonso, die große Primaballerina Kubas, die trotz ihrer Erblindung zur internationalen Legende wurde.

„Ich habe 49 Jahre mit ihr gearbeitet“, sagt er. „Sie war streng, aber gerecht. Sie hat uns gelehrt, dass der Tanz nichts mit Eitelkeit zu tun hat, sondern mit Verantwortung – für sich, für das Publikum, für die Kunst.“

Er beschreibt, wie Alonso ihre Schüler lehrte, eine Rolle nicht nur zu tanzen, sondern zu verstehen: die Körperhaltung einer Epoche, die Gesten, das Benehmen – jedes Detail war Ausdruck von Charakter.

Alicia konnte sehen, auch wenn sie blind war. Sie hörte die Bewegung, sie fühlte sie. Ihre Hände sprachen, wenn sie uns korrigierte. Sie war ein Star ohne Allüren – und sie blieb ein Mensch.
— Felix Rodriguez

Er spricht von ihr mit Respekt, aber ohne Verklärung.

Alonso war nicht unfehlbar, doch sie verkörperte für ihn die Idee von Würde im künstlerischen wie im menschlichen Sinne. „Sie hat uns gelehrt, dass das Publikum spürt, wer ehrlich ist“, sagt er. „Auf der Bühne kannst du nichts verstecken. Wenn du halbherzig bist, merkt man es sofort.“

Die Disziplin des Lebens

Wenn Felix über Disziplin spricht, klingt es nicht nach Härte oder Strenge, sondern nach Charakrer.

„Disziplin ist das Fundament von allem“, sagt er. „Nicht nur im Tanz, auch im Leben.“

Er erzählt, wie seine Tage im Ballett begannen – frühmorgens, noch vor Sonnenaufgang. Stundenlange Übungen, Wiederholungen, immer dieselben Bewegungen, bis der Körper sie kannte, ohne dass der Kopf noch eingreifen musste.

Wenn du müde bist, kommt der wahre Test. Dann zeigt sich, ob du es wirklich willst.
— Felix Rodgriguez

Aber für Felix bedeutet Disziplin nie Unterordnung.

Sie ist kein Mittel der Kontrolle, sondern des Respekts – vor der Kunst, vor sich selbst, vor dem Publikum.

„Wenn du mit halber Kraft tanzt“, sagt er, „merkt das jeder. Das Publikum spürt es sofort, auch wenn du es zu verbergen versuchst. Es verzeiht dir keine Gleichgültigkeit.“

Disziplin ist nicht das Gleiche wie Strenge. Sie ist Liebe in Aktion. Wenn du etwas liebst, sorgst du dafür. Du kümmerst dich. Du bleibst dran.
— Felix Rodriguez

Er spricht davon, wie schwer es ist, in Havanna diese Haltung aufrechtzuerhalten – in einem Land, in dem selbst die einfachsten Dinge fehlen. Stromausfälle, leere Läden, die Unsicherheit, ob der Bus heute fährt.

„Manchmal stehst du morgens auf und denkst, warum überhaupt? Aber dann erinnerst du dich: Du hast Schüler, du hast Verantwortung. Und du weißt, dass sie dich brauchen.“

Felix sieht sich als Lehrer, nicht als Star.

Er unterrichtet nicht nur Tanz, sondern auch Geduld, Ausdauer, Würde: „Viele meiner Schüler haben kein Geld für Schuhe oder Kostüme. Manche kommen ohne Frühstück. Aber wenn sie tanzen, vergessen sie das. Ich sage ihnen: Ihr müsst euch vorbereiten, als wäre es eine Premiere, selbst wenn niemand zuschaut.“

Seine Methode unterscheidet sich von den klassischen Lehrbüchern. Er korrigiert nicht nur Bewegungen, sondern fragt nach Gefühlen. „Was willst du ausdrücken? Was fühlst du bei dieser Drehung?“

Er glaubt, dass Technik nur dann Bedeutung bekommt, wenn sie von innen kommt.

Im Ballett lernt man nicht nur, wie man sich bewegt. Man lernt, wie man lebt. Man lernt, dass alles seinen Preis hat – und dass es sich lohnt, diesen Preis zu zahlen.
— Felix Rodriguez

Er schaut auf ein vergilbtes Foto an der Wand, auf dem er selbst in jungen Jahren zu sehen ist – elegant, kraftvoll, in Pose.

„Das war damals in Madrid“, sagt er, „eine meiner besten Aufführungen. Aber weißt du, was mir heute mehr bedeutet? Wenn ich sehe, wie einer meiner Schüler eine Bewegung zum ersten Mal wirklich versteht. Wenn aus Technik plötzlich Ausdruck wird. Dann weiß ich, dass etwas angekommen ist.“

Felix’ Verständnis von Disziplin ist eng mit seiner Vorstellung von Menschlichkeit verknüpft.

Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern anständig. „Du kannst tanzen wie ein Gott“, sagt er, „aber wenn du arrogant bist, ist alles nichts wert. Was zählt, ist, wie du mit anderen umgehst – auf der Bühne und daneben.“

Er nimmt einen letzten Schluck kalten Kaffees, lehnt sich zurück und fasst es in einem Satz zusammen:

Disziplin ist nichts, was dich klein macht. Sie ist das, was dich aufrecht hält.
— Felix Rodriguez

Ein Leben zwischen Bühne und Straße

Felix erzählt, wie alles begann – auf dem Land, weit weg von Havanna.

„Ich war ein Guajiro“, sagt er, „ein Junge vom Feld. Ich kannte nur Tiere, Zuckerrohr und Staub.“

Seine Familie war arm, aber die Revolution brachte für viele Kinder aus den Provinzen plötzlich Möglichkeiten.

Er kam als Jugendlicher nach Havanna, erhielt ein Stipendium an der Nationalen Ballettschule Kubas, damals im alten Country Club, einem Ort, an dem einst die Reichen ihre Pferde ausritten.

Wir, die aus dem Campo kamen, lebten dort plötzlich zwischen alten Marmorsäulen. Wir aßen gemeinsam, übten gemeinsam – Bauernkinder, Künstlerkinder, Kinder von Militärs. Es war eine Schule fürs Leben.
— Felix Rodriguez

Acht Jahre dauerte seine Ausbildung.

Acht Jahre Disziplin, Training, Auftritte, Prüfungen. Danach wurde Felix Mitglied des Nationalballetts von Kuba – und bald einer seiner gefeierten Solisten.

Er tanzte klassische Rollen, aber auch moderne Stücke.

Mit dem Ensemble reiste er durch halb Europa: nach Deutschland, in die Tschechoslowakei, nach Spanien, Polen, Russland.

„Ich habe in Dresden getanzt“, erinnert er sich, „und die Stadt hat mich verzaubert. Die Menschen, die Kultur, der Respekt. Viele sagen, die Deutschen seien kalt. Ich habe das nie so erlebt. Sie waren ernsthaft – und das mochte ich.“

Auf den Tourneen stand Felix auf großen Bühnen, lernte Künstler, Politiker und Musiker kennen. Doch das Rampenlicht war für ihn nie der Mittelpunkt seines Lebens.

Ich habe das Reisen geliebt, aber nie vergessen, wo ich herkomme. Ich wusste, dass ich zurückkehren würde. Ich wollte nie in einem anderen Land alt werden.
— Felix Rodriguez

Sein Blick wandert zur offenen Tür, durch die man den schmalen Hof hinter dem Haus sehen kann. Ein paar Topfpflanzen, Wäscheleinen, eine Katze auf der Mauer. „Kuba ist mein Zuhause“, sagt er. „Ich kann mich über vieles ärgern – über das System, über die Armut, über das, was fehlt. Aber wenn ich gehe, verliere ich mich selbst.“

Er erzählt von den Jahren nach dem Tod von Alicia Alonso, als sich vieles veränderte. „Es war, als wäre ein Teil von uns mit ihr verschwunden“, sagt er. „Das Ballett wurde politischer, komplizierter. Ich habe irgendwann aufgehört zu tanzen, aber das Leben hat mich gezwungen, weiterzumachen.“

Heute unterrichtet er junge Tänzerinnen und Tänzer in Havanna.

Viele seiner Schüler kommen aus ähnlichen Verhältnissen wie er damals: Kinder ohne Geld, aber mit Energie und Ehrgeiz. „Ich sehe mich in ihnen“, sagt er. „Manchmal fehlt ihnen alles – die Schuhe, die Musik, das Essen. Aber wenn sie tanzen, vergessen sie das. Für ein paar Minuten ist alles möglich.“

Er lacht, als sein Hund bellend durchs Zimmer rennt. „So ist das hier. Ein bisschen Chaos, ein bisschen Poesie.“

Dann wird er wieder ernst. „Ich habe nie viel besessen“, sagt er, „aber ich habe etwas gelernt: Wenn du das, was du tust, mit ganzem Herzen machst, kann dir niemand nehmen, wer du bist. Nicht der Staat, nicht das Publikum, nicht das Alter.“

Sein Leben bewegt sich seit Jahrzehnten zwischen Bühne und Straße – zwischen Disziplin und Improvisation, Routine und Überleben.

Vielleicht ist genau das die Essenz von Kuba: aus wenig viel zu machen, aus jedem Tag ein Stück Schönheit zu formen, ohne sie zu idealisieren.

Felix verkörpert diese Haltung.

Nicht als Held, sondern als jemand, der einfach weiter tanzt – im Rhythmus seines Landes.

Die Kunst, Mensch zu bleiben

Felix Rodriguez vor einer Ballettprobe © Kai Behrmann

Felix redet viel über Tanz – aber am Ende führt jedes Gespräch zurück zum Leben. Auf seinem Küchentisch liegen alte Eintrittskarten, eine Mappe mit Zeitungsausschnitten, dazwischen ein zerknittertes Foto von ihm mit Alicia Alonso.

Neben der Spüle stehen leere Farbtuben, und an der Wand hängt ein Gemälde, das ein Paar zeigt – ein Mann und eine Frau, ineinander verschränkt, kaum zu unterscheiden. „Das bin ich“, sagt er, „oder vielleicht wir alle.“

Sein Blick wandert durchs Zimmer, dann hinunter zu seinem Hund, der ungeduldig mit der Pfote gegen den Tisch tippt. „Er erinnert mich daran, freundlich zu bleiben“, sagt Felix und lacht. „Wenn du dich um ein Tier kümmerst, lernst du, geduldig zu sein. Das ist wie im Ballett – wer ungeduldig ist, verliert das Gleichgewicht.“

Es sind diese kleinen Sätze, beiläufig gesprochen, die viel über ihn verraten.

Felix hat in seinem Leben mit Präsidenten gesprochen, auf den größten Bühnen Europas getanzt, doch seine Geschichten kreisen nicht um Ruhm, sondern um Menschen.

Er erzählt von Schülern, die sich durchkämpfen, von Nachbarn, die ihren letzten Kaffee teilen, von Freunden, die Kuba verlassen haben und ihm trotzdem regelmäßig Medikamente schicken. „Der Kubaner gibt dir das Letzte, was er hat“, sagt er, „nicht, weil er reich ist, sondern weil er weiß, was es heißt, Mangel zu haben.“

Seine eigene Haltung hat sich über die Jahre verfeinert, nicht verhärtet. Er spricht über Armut ohne Bitterkeit, über Glaube ohne Pathos. „Ich bin kein religiöser Mensch“, sagt er, „aber ich glaube an das Gute. An das, was du gibst, nicht an das, was du besitzt.“

Er erzählt von einer Schülerin, die er jahrelang trainierte, bis sie schließlich einen Preis gewann. „Ich war stolz, ja. Aber nicht wegen der Medaille. Sondern weil sie verstanden hatte, dass es beim Tanzen nicht um Schönheit geht, sondern um Ehrlichkeit. Wenn du ehrlich bist, bist du schön.“

Dann schweigt er eine Weile. „Weißt du“, sagt er leise, „die Bühne war nur eine Etappe. Jetzt ist das Leben meine Bühne. Ich tanze nicht mehr, aber ich bewege mich weiter. Jeden Tag. Und ich versuche, dabei ein guter Mensch zu bleiben.“

Er lächelt, nimmt sein Glas vom Tisch, streicht dem Hund über den Kopf und sagt:

„Kunst ist leicht. Mensch zu sein, das ist die eigentliche Arbeit.“

Maler, Tänzer, Lehrer

Wenn man Felix besucht, merkt man schnell, dass sein Leben nie in Schubladen gepasst hat.

Tänzer, Maler, Lehrer – diese Rollen fließen bei ihm ineinander wie Farben auf einer Palette.

„Ich bin kein Künstler“, sagt er, „ich bin nur jemand, der versucht, mit dem, was er hat, etwas Schönes zu machen.“

Nach dem Tod seiner “Mutter” Alicia Alonso begann er zu malen.

„Nachts, wenn alle schliefen, stand ich auf und bemalte die Laternenpfosten in meiner Straße“, erzählt er. „Die Leute hielten mich für verrückt. Aber ich musste weitermachen. Wenn ich nicht mehr tanzen konnte, musste ich etwas anderes bewegen.“

Seine Nachbarn wachten eines Morgens auf und fanden die hölzernen Pfosten bemalt – mit Gesichtern, Figuren, Farben, die in der Sonne leuchteten.

Eine stille Ausstellung im öffentlichen Raum, geboren aus Trauer und Einsamkeit.

In seiner kleinen Wohnung hängen heute viele dieser Bilder: Augen in allen Formen und Farben, Gesichter, deren Ausdruck zwischen Freude und Melancholie schwankt. „Die Augen sind der Spiegel der Seele“, sagt er. „Wenn jemand dir nicht in die Augen sieht, erzählt er dir keine Wahrheit.“

Ich male nicht, um etwas zu verkaufen. Ich male, um zu verstehen. Manchmal bin ich traurig, dann male ich hell. Wenn ich glücklich bin, male ich dunkel. Ich weiß, es ist seltsam, aber so funktioniert es bei mir.
— Felix Rodriguez

Auch seine Schüler lernen, dass Ausdruck wichtiger ist als Perfektion.

In seinem Unterricht gibt es keine starren Regeln. „Wenn jemand eine Bewegung technisch falsch macht, aber sie ehrlich fühlt, dann ist sie richtig“, erklärt er. „Die Bewegung muss von innen kommen, sonst bleibt sie leer.“

Er spricht über Unterricht wie andere über Musik: rhythmisch, intuitiv, voller Beobachtung.

Er sieht, wenn jemand zweifelt, wenn der Körper müde ist oder der Kopf abschaltet. „Ich sage ihnen dann, dass sie tanzen sollen, als würde niemand zusehen. Dann sind sie frei.“

Seine Wohnung wirkt wie ein kleines Atelier.

Auf dem Boden liegen Pinsel, an der Wand lehnen Leinwände, daneben alte Tanzschuhe, ausgetreten, aber aufgehoben.

Dazwischen Fotos aus seiner Zeit auf Tournee – in Prag, in Madrid, in Berlin. Auf einem davon steht er neben Stevie Wonder, auf einem anderen im Gespräch mit Schülern der Ballettschule von Dresden.

Trotz all dieser Erinnerungen blickt Felix nicht zurück. „Ich hatte ein gutes Leben“, sagt er. „Aber das Beste daran ist, dass ich es teilen kann. Mit meinen Schülern, mit den Menschen hier im Viertel, mit dir jetzt. Ich will nichts mehr erreichen, ich will nur, dass das, was ich gelernt habe, weiterlebt.“

Die leise Größe eines Lebenswerks

Als wir uns von Felix verabschieden, ist es schon später Nachmittag.

Das Licht fällt schräg durch das Fenster auf seine Bilder, der Ventilator schiebt träge die warme Luft durch den Raum.

Felix begleitet uns bis zur Tür, der Hund läuft ein paar Schritte voraus. Draußen, auf der schmalen Straße, strahlen die bemalten Laternenpfosten im letzten Sonnenlicht – Spuren eines Lebens, das nie stehen geblieben ist.

Felix winkt uns zum Abschied, dann lehnt er sich an den Türrahmen, eine Geste zwischen Gelassenheit und Müdigkeit. „Ich hatte kein leichtes Leben“, sagt er. „Aber ich hatte ein schönes. Ich habe getanzt, geliebt, gelehrt – und dabei nie vergessen, woher ich komme.“

Vielleicht ist das, was ihn ausmacht, genau das: kein lautes Heldentum, sondern eine stille Beharrlichkeit.

Er ist keiner, der große Worte braucht. Seine Geschichten wirken nach, weil sie aus Erfahrung sprechen – und weil sie zeigen, dass Kunst nichts Abgehobenes ist, sondern mitten im Leben steht.

Ich tanze nicht mehr auf der Bühne“, sagt er, „aber ich bewege mich noch immer. Solange ich das kann, bin ich glücklich.
— Felix Rodriguez

Felix Rodríguez verkörpert etwas, das man in Havanna oft spürt, aber schwer beschreiben kann: die Fähigkeit, sich nicht brechen zu lassen.

Zu improvisieren, zu lächeln, weiterzumachen – ohne Illusion, aber mit Würde.

Für uns wurde diese Begegnung zu mehr als einer Reportage.

Sie war eine Erinnerung daran, warum wir fotografieren: um Menschen wie ihn zu treffen, zuzuhören, zu verstehen. Um zu zeigen, dass hinter jedem Gesicht eine Geschichte liegt – und dass das Wichtigste oft dort geschieht, wo kein Applaus mehr ertönt.

Hinter uns schließt sich die Tür zu Felix’ kleiner Wohnung. Vor uns liegt Havanna – laut, lebendig, widersprüchlich wie eh und je.

Und doch nehmen wir etwas mit, das bleibt: das Gefühl, dass Größe manchmal ganz leise ist.

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Kai Behrmann

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