David duChemin: Licht, Raum und Zeit
Ein Buch über Fotografie, das weniger die Technik feiert als die Haltung dahinter: In 20 prägnanten Essays verknüpft David duChemin Wahrnehmung, Kreativität und fotografische Praxis – und zeigt, wie Bilder nicht nur „gemacht“, sondern gedacht, gefühlt und gebaut werden.
Worum es geht – und warum es wichtig ist
„Licht, Raum und Zeit“* ist ein Buch für alle, die Fotografie als Sprache begreifen: nicht als Summe von ISO, Blende, Verschluss, sondern als bewusstes Arbeiten mit Wahrnehmung, Intention und Form.
DuChemin verschiebt den Fokus weg von Gear-Debatten und On-Off-Tipps hin zum inneren Handwerk: sehen lernen, Entscheidungen begründen, den eigenen Blick konsistent formen. Das ist im besten Sinne zeitgemäß, weil es der Flut verfügbarer Technik ein klares „Warum“ entgegensetzt – eine Orientierung, die vielen Bildschaffenden heute fehlt.
Vom Impuls zur Methode
Das Buch versammelt 20 Essays, die wie kompakte Mentoring-Sessions funktionieren.
Der rote Faden: Aus Wahrnehmung wird Absicht, aus Absicht wird Form. DuChemin denkt Fotografie entlang dreier Grundpfeiler:
Licht: nicht nur als Beleuchtung, sondern als Stoff, der eine Stimmung trägt – Schatten als Grammatik, Farbe als Betonung, Kontrast als Dramaturg.
Raum: Bildfläche als Bühne. Wie Nähe, Distanz, Perspektive, Brennweite, Hintergrund und Negativraum Beziehungen stiften.
Zeit: Rhythmus, Dauer, Sequenz. Vom entscheidenden Augenblick bis zur bewussten Langsamkeit – und was das für fotografische Erzählungen bedeutet.
Die Reihenfolge der Essays ist bewusst so gesetzt, dass sie vom Sehen zum Gestalten führt.
Es entstehen Übergänge, die nicht didaktisch abprüfen, sondern Denkräume öffnen: Ein Kapitel triggert das nächste – und zwingt dazu, die eigene Praxis zu überprüfen.
Genau darin liegt die Stärke der Dramaturgie.
Bildsprache: Entscheidungen sichtbar machen
DuChemin illustriert seine Gedanken mit über 100 Fotografien, die keine bloßen „Belege“ sind, sondern Argumente in Bilderform. Man sieht, wie er mit Kanten arbeitet, wo er Weißraum atmen lässt, wann er Kontraste verdichtet oder Linien bricht. Er zeigt, wie Intention zu Form wird – etwa wenn er:
Komposition als Kampf um Relevanz versteht (Was darf rein? Was muss raus?);
Farbe nicht dekorativ, sondern semantisch behandelt (Farbklänge als Subtext);
Bewegung als variable Zeitgröße einsetzt (Verschlusszeit als Sinnträger, nicht als Effekt);
Standpunkt und Distanz als ethische Entscheidungen begreift (Nähe nicht nur physisch, sondern relational).
Die Bilder sind dabei keine Stars, die den Text überstrahlen, sondern Sparringspartner: Man blättert nicht „von Motiv zu Motiv“, sondern durch Entscheidungen.
Das wirkt erwachsen – und zwingt zur Frage: Warum habe ich gestern genau so und nicht anders fotografiert?
Klar, offen, uneitel
DuChemin schreibt handwerklich nüchtern, aber persönlich.
Keine esoterischen Kreativ-Parolen, keine Überhöhung der eigenen Marke.
Stattdessen: ehrliche Beispiele aus dem eigenen Scheitern, präzise Sprache, konkrete Handläufe (Fragen, Übungen, Perspektivwechsel).
Wo andere Ratgeber Listen liefern, liefert er Kriterien:
Wie prüfe ich, ob mein Bild tut, was es soll?
Wie erkenne ich blinde Flecken?
Wie verhindere ich, dass Technik die Intention frisst?
Sein Ton ist ermutigend, nicht schmeichelnd: Er macht Mut, aber verwechselt Motivation nicht mit Abkürzungen. Das zielt klar auf Lesern, die selbstständig denken wollen – und genau deshalb an der richtigen Stelle herausgefordert werden.
Wo „Licht, Raum und Zeit“ im duChemin-Kosmos steht
DuChemin hat in seinen deutschsprachigen Titeln wie „Das Herz der Fotografie“* und „Die Seele der Kamera“* bereits Fundamentarbeit geleistet – Haltung, Blick, Verantwortung.
„Licht, Raum und Zeit“* setzt diesen Strang fort, verschiebt aber die Gewichte: weg von Grundsatzfragen, stärker hin zum konkreten Übersetzen in Bildmittel.
Wer seine früheren Bücher kennt, wird vertraute Themen entdecken, aber verdichtet und praxisnäher formuliert.
Neu ist die Konsequenz, mit der er Wahrnehmung als trainierbares Handwerk fasst – nicht als Talentfrage.
Im großen Feld der Fotoliteratur positioniert sich das Buch zwischen Theorie und Werkstatt: zu durchdacht für bloße Tipp-Sammlungen, zu handfest für akademische Abstraktion.
Damit füllt es eine Lücke: ein reifer Praxistext für Fortgeschrittene, der ambitionierten Einsteigern trotzdem die Tür offenlässt.
Nutzwert: Was bleibt nach der Lektüre?
Ein Fragenkatalog für den Rucksack: kleine Prüfsteine, die vor Ort helfen (Was will ich betonen? Wie führt das Licht den Blick? Welche Beziehung stifte ich im Raum?).
Ein Vokabular für Bildgespräche: Wer über Bilder sprechen (und editieren) will, findet präzise Begriffe statt Geschmacksurteile.
Ein Trainingsplan ohne To-Do-Hektik: Beobachtungsübungen, Entschleunigung, Sequenz-Bewusstsein – genau das, was nachhaltige Entwicklung ausmacht.
Kurz: Das Buch beschleunigt nichts – es vertieft. Und genau deshalb wird es langfristig wertvoll.
Fazit & Empfehlung
„Licht, Raum und Zeit“ ist kein weiteres „10 Schritte zu besseren Fotos“-Buch.
Es ist ein Werkstattbuch für Wahrnehmung: präzise gedacht, klar geschrieben, klug gestaltet.
Wer Fotografie alsbewussten Entschluss versteht – und bereit ist, den eigenen Blick systematisch zu schärfen –, wird hier ein dauerhaftes Arbeitsmittel finden. Für Technik-Shortcuts gibt es anderswo schnellere Nahrung; für substanzielles fotografisches Denken gibt es derzeit wenig Besseres.
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Vom Blick zur Bildaussage
David duChemins „Licht, Raum und Zeit“* versammelt 20 Essays über das innere Handwerk der Fotografie – Wahrnehmung, Intention und Entscheidung –, strukturiert entlang der Triade Licht, Raum und Zeit.
Der Ton ist klar und praxisnah: keine Gear-Tipps, sondern Kriterien fürs Gestalten. Nutzwert liefert ein Fragenkatalog für den Einsatz vor Ort, Übungen zur Sehschulung und ein präzises Vokabular für Bildkritik.
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