“Fotografie neu denken”: Andy Scholz über Kunst, Festivalarbeit und den Deutschen Fotobuchpreis

Andy Scholz – Fotograf, Kurator und Podcaster. Mit „Fotografie neu denken“ und dem Internationalen Festival Fotografischer Bilder prägt er seit Jahren die Diskussion über Fotografie jenseits von Technik und Trends. © Privat

Vom Malertraum über Theater und Philosophie bis zur Fotografie: Andy Scholz ist ein Grenzgänger zwischen Kunst und Theorie. Im Gespräch erzählt er von seinem Werdegang, der Gründung des Festivals Fotografischer Bilder in Regensburg, seinem Podcast „Fotografie neu denken“ und seiner Arbeit rund um den Deutschen Fotobuchpreis.

 
Ich habe die Fotografie nie technisch gesehen, sondern mich immer dafür interessiert: Was ist da drauf zu sehen und warum?
— Andy Scholz
 

Andy Scholz gehört zu den prägenden Stimmen der deutschsprachigen Fotoszene.

Als Künstler, Kurator, Podcaster und Organisator bewegt er sich seit Jahrzehnten zwischen praktischer Fotografie, philosophischer Reflexion und kulturpolitischem Engagement.

In dieser Episode des “Abenteuer Reportagefotografie”-Podcasts spricht er über seine Biografie, seine künstlerischen Anfänge, die Entstehung des Internationalen Festivals Fotografischer Bilder in Regensburg, den Deutschen Fotobuchpreis sowie aktuelle Entwicklungen rund um Fotografie, KI und Self-Publishing.

Das Gespräch zeichnet ein Bild von einem neugierigen Suchenden, der Fotografie nicht nur als Technik, sondern als kulturelles Medium versteht.

Frühe Jahre und künstlerische Suche

Andy wuchs in den 1980er Jahren mit der Fotografie seines Vaters auf – doch der Funke sprang zunächst nicht über. Sein ursprünglicher Traum war die Malerei:

Ich wollte eigentlich immer Malerei studieren. Ich habe also mit 16 angefangen in meinem Jugend-Kinderzimmer … und habe halt gemalt wie so ein Verrückter.
— Andy Scholz

Neben der Malerei spielte er in Bands, entwarf Plattencover und träumte von einer Musikerkarriere.

Theater und Philosophie

Nach dem Zivildienst schloss sich eine Phase des Theaters an – mit Auftritten in der „West Side Story“ auf Tournee in Niedersachsen. Gleichzeitig wuchs das Interesse, nicht auf der Bühne zu stehen, sondern zu inszenieren. Ein Regiestudium scheiterte, sodass Andy schließlich Philosophie in Düsseldorf studierte.

Dort begann er, sich mit Medientheorie, Jean Baudrillard und Fragen der Bildphilosophie auseinanderzusetzen.

Erste fotografische Schritte

Der entscheidende Impuls kam durch die alte Kamera des Vaters.

Andy begann mit Dias zu experimentieren, arbeitete in Dunkelkammern und entwickelte eine Faszination für Schwarz-Weiß-Fotografie.

Ein Studium in Braunschweig und später an der Folkwangschule in Essen folgte.

Künstlerische Handschrift

Seine frühen Arbeiten beschäftigten sich stark mit Nachtfotografie und filmischen Einflüssen:

Ich habe ganz viel nachts fotografiert … versucht, in meinen Fotos so das Ikonenhafte rauszuarbeiten, was Modellhaftes, was Unheimliches.
— Andy Scholz

David Lynch diente ihm als Inspirationsquelle. Viele Bilder entstanden als große Tableaus auf Alu-Dibond.

Von der Kunstszene zur Festivalarbeit

Druck und Enge im Kunstbetrieb

Zwischen 2001 und 2016 widmete sich Andy ausschließlich der eigenen künstlerischen Arbeit. Ausstellungen in den USA und Russland folgten.

Doch er empfand den Markt als einengend:

Ich habe nicht verstanden, ob sie mich verstehen … Es war ein großer Stressfaktor.
— Andy Scholz

Lehrtätigkeit und Regensburg

Parallel begann er als Dozent an der Universität Regensburg Fotografie zu unterrichten. Dort lernte er Martin Rosner kennen – gemeinsam entwickelten sie das Konzept für ein neues Festival.

Internationales Festival Fotografischer Bilder

2017 wurde das Festival erstmals eröffnet.

Es versteht Fotografie als erweitertes Medium und thematisiert seitdem Bildphilosophie, Praxis und Didaktik.

Drei Säulen des Festivals:

  • Reflexion: philosophisches Nachdenken über Bilder

  • Praxis: Umsetzung fotografischer Projekte

  • Didaktik: Vermittlung und Medienkompetenz

Themenschwerpunkte reichten vom “darktaxa-Projekt” (Frage nach der Definition von Fotografie) bis zu aktuellen Debatten um Fakt und Fake.

Deutscher Fotobuchpreis

Historie des Preises

Der Preis existiert seit 1975 (damals als Kodak Fotobuchpreis). Nach mehreren Stationen wird er seit 2017 von der Hochschule der Medien Stuttgart betreut.

2020 kam Andy durch seinen Podcast in engeren Kontakt – und mittlerweile ist der Preis fester Bestandteil des Festivals in Regensburg.

Teilnahme und Kategorien

  • Teilnahme möglich für Deutschland, Österreich, Schweiz

  • 12 Kategorien: von Ausstellungskatalog über Fotojournalismus bis Fototheorie

  • Jährlich rund 350 Einreichungen, ca. 60 Auszeichnungen (Gold, Silber, Bronze)

Besonders wichtig ist die Ausstellungstour: ausgezeichnete Bücher werden in Museen, Bibliotheken und Goethe-Instituten weltweit gezeigt.

Es geht uns immer um die Sichtbarkeit … Bücher muss man anfassen.
— Andy Scholz

Podcast „Fotografie neu denken“

2020 startete Andy seinen Podcast, zunächst als Ersatz für geplante Festival-Videos während der Pandemie. Heute erscheint fast wöchentlich eine neue Episode.

Themen reichen von Fototheorie über Ausstellungen bis hin zu politischen Fragen wie der „Macht der Bilder“ im Ukraine-Krieg.

Der Titel spiegelt sein Credo wider: Fotografie ist ständig im Wandel und muss kritisch hinterfragt werden.

Trends in Fotobuch und Fotografie

  • Self-Publishing boomt: Viele Fotografen nutzen Self-Publishing, doch die Qualität schwankt stark. Oft scheitern gute Projekte an schwacher Gestaltung.

  • Verlagsprojekte: Verlage setzen zunehmend auf aufwendige Buchgestaltung: verschiedene Papiere, offene Bindungen, Stoffeinbände oder ausklappbare Tableaus.

Inhaltliche Tendenzen

  • Persönliche Geschichten (Trauer, Depression, Pandemie-Erfahrungen)

  • Fotojournalismus (Ukraine, Krisen)

  • Konzeptkunst (Abstraktion, Experimente mit Materialität)

Fotografie und KI

Ein weiteres Thema ist die Rolle künstlicher Intelligenz.

Andy betrachtet sie als logische Evolution:

Ich habe die Fotografie nie technisch gesehen, sondern mich immer dafür interessiert, was ist da drauf zu sehen und warum.
— Andy Scholz

KI sei ein neues Werkzeug, das bestehende Fragen nach Bild, Realität und Bedeutung noch einmal neu aufwerfe.


Über Andy Scholz

Andy Scholz verkörpert eine seltene Kombination aus Künstler, Theoretiker, Kurator und Netzwerker.

Mit dem Festival Fotografischer Bilder, dem Deutschen Fotobuchpreis und seinem Podcast „Fotografie neu denken“ schafft er Plattformen, die Fotografie über reine Technik hinaus als kulturelles Phänomen beleuchten.

Seine Haltung – neugierig bleiben, kritisch hinterfragen, Fotografie immer neu denken – ist eine Einladung an alle, die sich tiefer mit dem Medium beschäftigen wollen.


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